Gesamte Rechtsvorschrift für Wuchergesetz 1949, Fassung vom 19.05.2010
Langtitel
Wuchergesetz 1949. StF: BGBl. Nr. 271/1949 (WV)
Änderung
idF: BGBl. Nr. 422/1974 BGBl. Nr. 140/1979 BGBl. I Nr. 191/1999 (BG) (1. BRBG) (NR: GP XX RV 1811 AB 2031 S. 179. BR: AB 6041 S. 657.) BGBl. I Nr. 98/2001 (NR: GP XXI RV 621 AB 704 S. 75. BR: 6398 AB 6424 S. 679.)
Text
Nichtigkeit eines wucherischen Vertrages.
§ 1. Ein Vertrag ist nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte seiner Leistung in auffallendem Mißverhältnis steht.
Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines wucherischen Vertrages.
§ 7. (1) Ist ein Vertrag nach den vorstehenden Bestimmungen nichtig, so hat jeder der beiden Teile alles zurückzustellen, was er aus dem nichtigen Geschäfte zu seinem Vorteil erhalten hat. Insbesondere sind Geldzahlungen mit den gesetzlichen Zinsen vom Empfangstage zurückzuerstatten, die übergebenen Sachen zurückzustellen oder deren Wert zur Zeit des Empfanges zu ersetzen, die auf die Sache gemachten notwendigen und nützlichen Verwendungen zu ersetzen und für die Benützung und die Entwertung der Sache in der Zwischenzeit eine angemessene Vergütung zu leisten. Ergibt sich aus der Berechnung der beiderseitigen Ansprüche ein Mehranspruch für einen der Vertragsteile, so haftet hiefür die für den vertragsmäßigen Anspruch erworbene Sicherstellung.
(2) Ist jedoch die Gewährung oder Verlängerung von Kredit nach den vorstehenden Bestimmungen nichtig, so hat der Benachteiligte für den erhaltenen Kreditbetrag vom Empfangstag bis zur Rückzahlung - sofern im Vertrag nicht eine geringere Verzinsung vorgesehen ist - Zinsen in der Höhe des Zweifachen des im Zeitpunkt der Schließung des Vertrags geltenden Basiszinssatzes zu vergüten. Er kann für die Rückzahlung des Erhaltenen die im Vertrag vorgesehenen Zahlungsfristen in Anspruch nehmen. Bestimmungen, nach denen der Benachteiligte in besonderen Fällen weitergehende Rechte hat, bleiben unberührt.
Verfahrensbestimmungen.
§ 8. (1) Das Strafgericht hat auf Begehren des Verletzten ein Geschäft, wegen dessen eine Verurteilung wegen Wuchers erfolgt, als nichtig zu erklären und, wenn die Ergebnisse des Strafverfahrens ausreichen, über die weiteren Rechtsfolgen der Nichtigkeit zu erkennen.
(2) Reichen die Ergebnisse des Strafverfahrens zum Erkenntnis über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Geschäftes nicht aus, so erfolgt unter Aufrechterhaltung der erworbenen Sicherstellung die Verweisung auf den Zivilrechtsweg, der in diesem Falle sowohl dem Privatbeteiligten als auch dem Angeklagten offen steht.
§ 9. (1) Auf Ersuchen des Strafgerichtes, bei dem ein Verfahren wegen Wuchers anhängig ist, hat der Zivilrichter jederzeit mit dem den fraglichen Anspruch betreffenden Verfahren innezuhalten.
(2) Wenn sich während eines zivilgerichtlichen Verfahrens der Verdacht des Wuchers ergibt, kann das Gericht den Rechtsstreit (§ 191, ZPO.) oder die Exekution bis zum Abschlusse des Strafverfahrens unterbrechen. Nach Ermessen des Gerichtes kann während der Unterbrechung eine einstweilige Verfügung oder, wenn ein Exekutionstitel vorliegt, die Exekution zur Sicherstellung zugunsten des Anspruches bewilligt werden.
§ 10. Die Bestimmungen der §§ 1, 7 und 9 sind auch auf Geschäfte anzuwenden, die vor Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes zustande gekommen sind, es sei denn, daß die aus diesen Geschäften entstandenen Ansprüche vor diesem Zeitpunkt erfüllt oder durch eine gerichtliche Entscheidung oder einen anderen Exekutionstitel festgestellt worden sind.
Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes.
§ 11. (1) Dieses Gesetz ist am 20. Oktober 1914 in Wirksamkeit getreten. Mit dem gleichen Tage hat das Gesetz vom 28. Mai 1881, R. G. Bl. Nr. 47, betreffend Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Kreditgeschäften, seine Geltung verloren.
(2) Mit der Vollziehung ist das Bundesministerium für Justiz betraut.
(3) (§ 3, Z 4, und § 4, Z 2, des Gesetzes sind durch § 5, Abs. (3), der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 24. September 1941, Deutsches R. G. Bl. I S. 581, aufgehoben worden und zufolge § 1, Z 2, des Gesetzes vom 16. November 1945, St. G. Bl. Nr. 235, über die Wiederherstellung österreichischer Rechtsvorschriften in strafrechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Nebengesetzen wieder in Kraft getreten.)